Wilma und ich lernen uns vor vier Jahren bei einer Kunstaktion in Halle kennen. Von ihr sehe ich allerdings nur die Augen. Der Rest ist hinter einem Kostüm versteckt. Wir unterhalten uns ein bisschen und erst etwa zwei Jahre später treffen wir uns wieder. Ohne Kostüm. Und ich erkenne sie trotzdem – irgendwie.
Im Januar finden wir uns dann gemeinsam auf einem Dach, mitten in Halles Paulusviertel, wieder. Beide dick eingepackt in warme Mäntel. Eigentlich hatten wir an diesem Morgen mit Sonne gerechnet. Doch der dichte Nebel, der uns begrüßt, hat, mit dem strengen Frost der vergangenen Nacht, Eiskristalle um alle Äste, auf die Dächer und um geparkte Fahrräder gezaubert. Keine Sonne. Nur Nebel. Um uns herum der aufsteigende Dampf der Schornsteine.
Wilma stand noch nie vor einer Kamera. Ich wusste allerdings schon recht früh, dass ich sie einmal fotografieren möchte. Jetzt, während des Shootings, ist von ihrer nicht vorhandenen Erfahrung nichts zu spüren. Die Pose voller Spannung. Die leuchtenden Augen blicken scheinbar durch die Kamera hindurch.
Dann betritt der Nachbar die Bildfläche…