1984 hauchte mein Papa, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, der frisch gegründeten Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk Leben ein. Nach 35 Jahren fotografiere ich ihn das erste Mal in den Werkstätten, die er mit aufgebaut hat. Hier durften meine Schwestern und ich schon als Kinder an Holzresten schnitzen, beim Holz zurichten und beim Möbelbau helfen.
Ende letzten Jahres, kurz nach Weihnachten, war die Gelegenheit günstig. Papa muss eine Tischplatte aus Eichenholz räuchern und ölen. Dabei gehe ich ihm zur Hand und bemerke im Banksaal das wunderschön einfallende Licht der winterlichen Nachmittagssonne. Doch ich habe keine Kamera dabei und auch die Tischplatte muss geschliffen werden. Der Kindheitserinnerungen weckende Duft von Holz wird für einen Moment abgelöst vom beißenden Gestank des Ammoniaks, als wir die Platte zum Räuchern in die Kiste packen.
Am nächsten Tag kommen wir zum Ölen zurück. Eine Fahrt auf der olfaktorischen Achterbahn: Duftendes Holz, beißender Ammoniak, duftendes Holz, gefolgt von duftendem Öl. Und draußen bedeckter Himmel. Keine Sonnenstrahlen, die in den warmen Banksaal fallen. Egal. Ich habe meine neue Mamiya RZ67 Pro II dabei. Im Magazin ein Kodak Portra 400.
Während Papa die erste Seite der Platte ölt, richte ich meine Kamera ein. Ich habe das Gefühl, Fotografie neu lernen zu müssen. Zwar bin ich die Arbeit mit Film gewöhnt, doch ist es mit dem wunderschönen schwarzen Ziegelstein namens RZ67 ein anderer Prozess. Spannend.
Nachdem die Porträts im Kasten sind, hängt Papa die benutzten Lappen zum Ausdünsten in den kleinen grünen Innenhof. Ich fahre die Beine meines Stativs ein und wir packen zusammen. Für den Sommer plane ich eine größere Serie über meinen Papa, den letzten noch aktiven Gründer dieser Meisterschule.